Samstag, 22. Juni 2013

Die Kuh und ihre Möchtegernmelker: Googles letzte Reaktion auf das Leistungsschutzrecht zeigt das Dilemma der deutschen Internetpolitik

Die Diskussion um das sinnlose Leistungsschutzrecht (LSR) ist in den letzten Wochen ruhiger geworden, zu erschöpft war man wohl nach dem Scheitern aller Versuche diese rückwärtsgewandte Verschärfung des Urheberrechts zu verhindern, die vorgeblich dem deutschen 'Qualitätsjournalismus' eine neue Subventionsquelle im Ausland erschließen soll.

Gestern nun hat Google klar gemacht, wie sie mit diesem nationalen Alleingang in der Internetregulierung umgehen werden. Das Ergebnis ist dabei nicht überraschend, aber da der Zeitpunkt mit der intensiven Diskussion über die Internetüberwachung durch Geheimdienste wie die US-amerikanische NSA oder die britische GCHQ zusammenfällt demonstriert es, wie hilf- und ziellos unsere heutige Regierung bei Internetthemen agiert. Um diesen Zusammenhang zwischen Bürokratisierung des Internets und gleichzeiger Klage über die Abhängigkeit von US-amerikanischen Internetgiganten geht es mir in diesem Text.

tl;dr: Durch die Bürokratisierung des Internets behindert die Bundesregierung wirkungsvoll die Entwicklung einer eigenen Internetindustrie und zementiert so die Abhängigkeit von den existierenden Internetgiganten.




Google und das LSR

Gestern hat Google in seinem offiziellen Produkt-Blog dargestellt wie sie gedenken mit der enormen Rechtsunsicherheit, die das LSR verursacht hat, umzugehen. Klar ist damit: Google denkt nicht daran zu der kalifornischen Geldkuh zu werden, die die deutschen Verlage gerne nach Herzenslust - und völlig abgekoppelt von irgendeiner eigenen Leistung - melken möchten. Bei ZEIT Online gibt es dazu einen Artikel, der für das sonst bei diesem Thema gewohnte Niveau des deutschen 'Qualitätsjournalismus' recht ausgewogen ist, im Opalkatze Blog (über das ich zuerst auf dieses Thema gestoßen bin) findet man den Wortlaut des Anschreibens, welches die Verantwortlichen von in Google News gelisteten Seiten erhalten haben sowie Links zu anderen Kommentaren zum Thema.

Ist es überraschend, dass Google weder einfach abwartet ob sie von den Verlagen auf Strafzahlungen verklagt werden noch alle deutschen Verlage aus Google News wirft (wie es sich viele Kommentatoren im Netz immer wieder gewünscht haben) oder gar Google News für Deutschland komplett abstellt? Nein, ist es nicht. Google hat die Ressourcen so ein OptIn Verfahren mit persönlicher Ansprache aller Personen durchzuführen und kann nun einfach abwarten, wie sich die einzelnen Verlage verhalten.

Der Scherbenhaufen, vor dem die (meisten) Verlage stehen

Die Verlage, die sich der öffentlichen LSR Diskussion lange verweigert und dann eine erschreckende Einheitsfront gebildet haben zur Verbreitung ihrer Propaganda zur Durchsetzung der eigenen wirtschaftlichen Ziele, stehen jetzt vor einem Ergebnis ihrer extremen Lobbyingbemühungen, welches ihnen zumindest offiziell nicht gefallen kann: Das ganze LSR wurde nicht ohne Grund immer wieder als Lex Google bezeichnet, also als ein Gesetz, welches sich explizit gegen Google richtet als die einzig relevante Geldquelle, die die Verlage zu erschließen hofften.

Nun bekommen die Verlage aber nur etwas, dass sie schon vorher hatten: Die Möglichkeit sich bei Google News kostenfrei listen zu lassen und dafür von Google kein Geld - aber Millionen von Seitenbesuchern - zu bekommen. Oder auch nicht.  Genau diese Entscheidung wollten die Verlage aber eigentlich nicht fällen: Sie wollen einfache ihre Inhalte - egal welcher Qualität - ins Netz stellen können und dafür von Google bezahlt werden.

Gerade die kleinen Verlage, die im Windschatten der großen Wortführer wie dem Axel-Springer-Verlag mitgeschwonnen sind, sind nun genauso dran wie zuvor, nur dass sie einen guten Teil ihrer Reputation verloren haben. Allerdings kann es sein, dass man hier an noch weitergehenden juristischen Strategien feilt: Im oben verlinkten Artikel von ZEIT Online findet sich das folgende ominöse Zitat zweier Verlagslobbyverbände: "Die Verleger gehen allerdings davon aus, dass das Recht weiterreicht.". Was mag damit gemeint sein? Vielleicht die Idee, dass Google und andere juristisch dazu gezwungen werden könnten die Inhalte der Verlage zu übernehmen und dann dafür bezahlen müssten. Hört sich schwachsinnig an, aber das heißt nicht, dass es nicht wahr sein könnte.

Die einzigen Verlage, die mit dem jetzt erreichten Ergebnis vielleicht zufrieden sind, könnten die großen Wortführer sein: Hier gibt es die Theorie, dass diese nie an Geldern von Google interessiert waren, sondern dass es nur darum ging Google News auszuschalten, damit die Menschen direkt auf die umfangreichen Portale dieser Großanbieter gehen. Dazu war es aber notwendig die kleinen Verlage auf die gleiche Linie zu bringen (auch wenn die nichts davon haben), damit Google News unattraktiv wird. Wenn diese Theorie stimmt kann man davon ausgehen, dass die Springer-Lobbyisten gerade dabei sind die kleinen Verlage weiterhin auf Linie zu halten.

Der Scherbenhaufen, vor dem unsere Regierung steht

Unsere gewählte Regierung hat mit den LSR das wohl neben dem Hotelsteuergesetz unsinnigste Gesetzgebungsverfahren der Legislaturperiode gegen den Rat eigentlich aller ernstzunehmenden Experten durchgepeitscht um sich damit ein gewisses Wohlwollen der Verlage zu erkaufen. Nun zeigt sich allerdings - wie auch nicht anderes zu erwarten war - das die Idee deutschen Unternehmen eine Subvention von ausländischen Unternehmen per Gesetz zukommen zu lassen komplett daneben gegangen ist. Für die Verlage kann es so aussehen, als ob die Regierung letztlich nicht ihr Wort gehalten hat (auch wenn die Verlage genau das bekommen haben, was sie sich gewünscht hatten). Die Regierung hat sich dann am Ende also auf der einen Seite als besonders anfällig für Lobbyismus und komplett beratungsresistenz bei Internetthemen erwiesen - und dies auch ganz offensichtlich gezeigt - dafür aber letztlich nichts erhalten, insbesondere nicht die dauerhafte Dankbarkeit eines wesentlichen Teils der Medien. Das einzige Problem für uns Wahlbürger ist nur, dass die Wahlalternativen sich zum großten Teil auch nicht besser dargestellt haben. 

Das Internet und die Geheimdienste

Nun könnte man das Thema LSR erst wieder abhaken und die sicher in den kommenden Tagen (oder Stunden) anrollende Propagandawelle der deutschen Verlage beim Verebben beobachten. Wenn da nicht das Thema der Internetspionage durch NSAGCHQ und wer weis wem noch wäre. Auch wenn sich nach meinem Kenntnisstand die ursprünglichen extremen Verdächtigungen von direkten und unkontrollierten Zugriffen der Geheimdienste auf die bei Anbietern wie Google, Apple, Microsoft, Facebook, etc. liegenden Benutzerdaten in Nichts aufgelöst haben muss man wohl davon ausgehen, dass die Daten in Einzelfällen sehr wohl abgerufen werden können und das zusätzlich in gigantischem Ausmaß Internetkommunikationen direkt aus den Datenleitungen extrahiert werden. Aber das ist hier nicht das Thema.

Das eine will man, dass andere muss man

Interessant sind hier die Reaktionen auf die Enthüllungen, die es in Deutschland gab. Der Standardrat nicht nur von den üblichen Verdächtigen wie z. B. Thilo Weichert, der im FAZ Interview den Satz sagt 'Wir empfehlen dringend, keine us-amerikanischen Dienste zu nutzen.', ist immer gleich: Man möge doch Alternativen zu Google, Microsoft, Apple und Facebook verwenden.

Nur: Wo sind die brauchbaren Alternativen? Ich kann nicht sehen, dass es in Deutschland einen eMailanbieter gibt, der auch nur annähernd an GMail herankommt. Oder ein Soziales Netz, welches selbst ganz entfernt die Lebendigkeit von Facebook, Twitter und Google+ hat.

Und hier entsteht für mich der Kurzschluss zum Leistungsschutzrecht als Beispiel für eine rückwärtsgewandte Gesetzgebung, die eine alte Industrie zu schützen sucht, aber gleichzeitig Innovationen verhindert und so die Abhängigkeit von den existierenden Internetgiganten zementiert:

Für Google als Großunternehmen mit zehntausenden von MitarbeiterInnen ist es kein Problem alle Webseitenbetrieber persönlich zu adressieren, die Freigabe für seine Webangebote zu erhalten und so die neuen Unsicherheiten des LSRs auszuhebeln. Aber was ist mit dem kleinen berliner Startup, welches eine innovative Idee zur Nachrichtenaggregation hat? Es hat nicht die Ressourcen und auch nicht die Zeit zuerst mit allen deutschen Verlagen Beziehungen aufzubauen und Erlaubnisse einzuholen und wird einfach eingehen oder ins Ausland gehen. Und wer sollte eine Suchmaschine für deutschsprachige Benutzer aufbauen, wenn die deutschsprachigen Internetseiten nun ein juristisches Minenfeld geworden sind?

Unsere Regierung hat es mit dem LSR also geschafft die bestehenden Machtverhältnisse im Netz noch weiter zu verfestigen und für uns als Nutzer dauerhaft alternativlos zu machen. Vielen Dank!

PS. 

Wer mir bei Twitter oder Google+ folgt weis, dass ich ein großer Freund insbesondere der Dienste von Google bin. Dieser Text stellt demnach auch keine Kritik an den genannten Diensten US-amerikanischer Unternehmen dar oder gar eine Aufforderung diese nicht zu nutzen. Aber es wäre meiner Ansicht nach ganz grundlegend bei zentralen Diensten im Internet über Alternativen zu verfügen, die nicht alle aus zwei oder drei Staaten dieser Welt kommen.