Sonntag, 21. April 2013

Zum Stand der Browser Kriege || Wühlen in Statistiken 03/2013

Ein Jahr ist schon wieder vergangen seit dem letzten Blogpost zum Stand der Browserkriege. In dieser Zeit hat sich die grundlegende Veränderung der Marktanteile der Webbrowser weiter fortgesetzt und gleichzeitig sind neue Trends auszumachen wie die Auswirkungen der sogn. Post-PC-Ära und der Aufstieg der Webkit Browser.

Kurzkritik an NetMarketShare

Bevor es in die Zahlen geht ist wieder - noch stärker als vor einem Jahr - die Frage zu stellen auf welchen der beiden großen Webstatistiker man sich verlässt. Die Zahlen von NetMarketShare und StatCounter haben sind in den letzten 12 Monaten noch weiter auseinander entwickelt und zeigen nun sogar gegenläufige Trends auf. Ich verlasse mich weiterhin auf StatCounter. Gegen NetMarketShare sprechen aus meiner Sicht weiterhin diese Gründe:
  1. Die statistische Basis ist offenbar deutlich kleiner.
  2. Die Transparenz der Zahlen ist sehr gering da nicht klar ist wie sich die Browseranteile auf die unterschiedlichen Länder verteilen.
  3. Der Versuch NetMarketShares einzelne Benutzer zu identifizieren macht das Verfahren noch intransparenter.
  4. Die so aufbereiteten Benutzerzahlen werden auf Basis von inkonsistenten Bevölkerungstabellen gewichtet, wodurch z. B. China ein sehr starkes Gewicht bekommt.
  5. Den Ausschluss von Zugriffen aus Chromes Prerendering Funktion halte ich bei NetMarketShare (nicht bei StatCounter) weiterhin für einen konzeptionellen Fehler.
  6. Tablets werden nicht zu den Desktoprechnern gezählt.
Also weiter mit StatCounter. Wichtig ist es sich daran zu erinnern, dass StatCounter die Anzahl der gezählten Webseitenabrufe auswertet und nicht versucht irgendwelche Aggregationen der Daten zu machen.

Die weltweiten Marktanteile 

Die weltweiten Marktanteile der Desktop Browser sehen bei den beiden Statistikern nun so aus (die Zahlen sind etwas gerundet):

März 2013
StatCounter
NetMarketShare
Chrome
38%
16,5%
Internet Explorer
29,3%
55,8%
Firefox
20,9%
20,2%
Safari
8,5%
5,3%
Opera
1,2%
1,7%

Chrome hat also bei StatCounter heute mit deutlichem Abstand die Führung übernommen. Die Entwicklung der letzten 12 Monate sieht dort so aus:


Source: StatCounter Global Stats - Browser Market Share


Auf Sitepoint hat man sich die Mühe gemacht die relativen Änderungen in den letzten 12 Monaten auszurechnen.

Die Verteilung in den 20 Ländern mit den meisten Internetnutzern

In den Ländern mit den vermutlich meisten Internetnutzern (Quelle) sieht es bei den Desktopbrowsern so aus:

März 2013ChromeInternet ExplorerFirefox
China24,7% (+)55,6% (-)3,3%
USA26%40,3% 16,3%
Indien48,8% (+)15,7% (-)30,4% (-)
Japan22,3% (+)52,4%14,3%
Brasilien60,7% (+)18,9% (-)17,1%
Russland39% (+)16,1% (-)22,6%
Deutschland21% (+)22,8% (+)45,2% (-)
Indonesien29,7% (+)2,5%60% (-)
England33,6%32%16% (-)
Frankreich34,3% (+)25,5% (-)28,1% (-)
Nigeria22,1%18,8%43,5%
Mexiko48,8% (+)30,6% (-)13% (-)
Iran18,3% (+)33,6% (-)42,5% (+)
(Süd-)Korea20,4%71,5%2,9% (+)
Türkei54,9% (+)33,4% (-)9,8%
Italien38,9%31%19,6% (-)
Philippinen63,8% (+)6%23,4% (-)
Spanien42,7% (+)25,6% (-)22% (-)
Vietnam52,3% (+)11,1% (-)29,4% (-)
Ägypten40,3% (+)14,5% (-)40,6% (+)
#
11 (+)4 (-)5
Quelle: StatCounter

Im Vergleich zum letzten Jahr hat sich die Liste verändert, sowohl in der Reihenfolge wie auch in den enthaltenen Ländern. Wichtig ist dabei zu bedenken, dass gerade in sehr stark gestiegenen Ländern wie Indien oder Indonesien der Anteil der Internetnutzung über mobile Geräte viel schneller zu wachsen scheint als es in den 'alten' Internetländern der Fall ist.

Die inzwischen verfügbaren Weltkarten bei StatCounter geben die Änderungen schön auf einen Blick wieder:
März 2012
März 2013
 Das 'Grün' von Chrome hat sich deutlich ausgebreitet, das 'Braun' von Firefox ist heute mehrheitlich in Afrika zu finden. Das 'Blau' des Internet Explorers ist geringer geworden und die roten Flecken von Opera sind verschwunden. Aber nun zu den einzelnen Browsern:

Chrome

Der Google Browser konnte seinen unglaublichen Aufsteig weiter fortsetzen und hat nun einen komfortablen Vorsprung vor dem Internet Explorer. Dies gilt um so mehr, wenn man noch die einzelnen Browserversionen unterscheidet:


Wenn man nach Kontinenten geht, so ist Chrome nun in Europa, Afrika und Asien führend, in Südamerika ist die Dominanz bereits so groß geworden, dass sie an den IE erinnert:



Nur in Nordamerika stagniert der Browser mehr oder weniger. Dafür ist sein Wachstum in den Ländern mit der am schnellsten wachsenden Internetnutzerschaft ungebremst, hier z. B. Indien:


Dies und die Tatsache, dass Chrome auch bisher schon Generationswechsel bei den PC Betriebssystemen offenbar ohne große Nutzerverluste überstanden hat lassen die Vermutung zu, dass der Google Browser noch nicht am Ende seines Aufstiegs angekommen ist. Im Gegensatz zum Internet Explorer und Firefox gibt es in den 20 Ländern mit den meisten Internetbenutzern auch kein einziges, in dem Chrome nicht bereits eine wesentliche Nutzerbasis errungen hat. 

Auch in technischer Hinsicht und beim Marketing lässt Google keine 'Ermüdungserscheinungen' erkennen und hat offenbar weiterhin Großes vor. Einige Stichpunkte dazu:
  • Google entwickelt mit RoboHornet und Octane weitere moderne Benchmarks, die die Browserentwicklung voran treiben sollen. 
  • Das Commitment zur Betriebssystemvariante ChromeOS wird in dem superteuren Chromebook Pixel sichtbar. 
  • Neben SPDY als HTTP Nachfolgeprotokoll hat Google mit Arbeiten an dem UDP Nachfolger QUIC begonnen. 
  • Bis vor kurzem setzte Chrome auf Webkit, nun hat Google aber angekündigt einen eigenen Fork mit Namen Blink zu gründen. Dazu unten mehr. 
  • Die Arbeiten an der Javascript Nachfolgesprache Dart gehen immer weiter. 
  • Google veranstaltet weiterhin seine Pwnium Wettbewerbe, in denen Sicherheitsexperten aufgefordert werden gegen immer höhere Belohnungen Lücken in Chrome/ChromeOS zu finden.

Internet Explorer

Der Microsoft Browser liegt inzwischen mit seiner verbreitetsten Version 9 hinter den kombinierten Nutzungszahlen nicht nur von Chrome, sondern auch von Firefox:


Microsoft hat in den letzten Jahren zwar gezeigt, dass sie den Kampf um einen konkurrenzfähigen Browser nicht aufgegeben haben, aber bei den Marktanteilen scheint sich die nicht ausgezahlt zu haben. Ein Grund lag möglicherweise darin, dass Microsoft seine neueren Browser ab Version 9 nicht mehr für die immer noch in großer Zahl verwendeten alten Betriebssystemversionen wie XP verfügbar gemacht hat. Die modernste Version 10 wurde erst kürzlich für Windows 7 verfügbar und ist daher bisher kaum verbreitet.

Die sicherste Basis hat der IE weiterhin in den Vereinigten Staaten und asiatischen Ländern wie China, Japan und Südkorea:


Firefox

Die freie Browser setzt seinen langsamen Abstieg fort, was allerdings nicht unbedingt bedeuten muss, dass er tatsächlich von weniger Menschen verwendet wird, da sich das Netz immer noch in neue Teile der Welt ausbreitet. Mozilla hat inzwischen auf den gleichen, sehr schnellen Releasewechsel umgestellt, den Google mit Chrome vorgemacht hat, und die Stimmen, die deshalb stark gegen Firefox gesprochen haben, scheinen in den letzten Monaten verstummt zu sein. Dafür hat Mozilla gezeigt, dass sie auch schnell sein können mit Innovationen und Firefox liefert sich heute ein echtes Rennen mit Chrome. Meine pessimistische Prognose von 2011 scheint damit nicht einzutreffen. Das Vorzeigeland für Firefox ist weiterhin Deutschland:

Safari

Apples Safari Browser ist als einziger heute fest an die Geräteplattform des Herstellers gebunden, da Apple die Windows Version von Safari vor einiger Zeit eingestellt hat. In der Statistik hat dies zu keinem Einbruch geführt, wohl ein Zeichen dafür, dass Apples Entscheidung zur Einstellung auf die Erfolglosigkeit des Browsers außerhalb der eigenen Betriebssysteme zurückzuführen ist. 

Der kontinuierliche Aufstieg von Safari ist damit ein direktes Zeichen des Erfolgs von Apple Geräten. In der StatCounter Statistik werden dabei iPads richtigerweise ebenfalls als Desktoprechner gewertet. Dieser Erfolg ist mehr oder weniger auf die reichen westlichen und asiatischen Länder beschränkt, ist dort aber teilweise enorm:

Neue Gruppen

Ergänzend zu den gewohnten Betrachtungen der wichtigsten Browser möchte ich dieses Mal noch Gruppen betrachten, die sich auch meiner Sicht als besonders relevant erwiesen haben. 

Neue Gruppen I: Die Schnellupdater

Als erste Gruppe möchte ich die Schnellupdater definieren. Das sind die Browser, die vom früher normalen jährlichen Releasezyklen abgerückt sind und nun alle paar Wochen neue Hauptversionen auf die Benutzer loslassen. Diese Gruppe wurde ursprünglich von Google gegründet, inzwischen gehört aber auch Mozilla mit Firefox dazu.

Diese Gruppe hat nun einen Marktanteil von 38%+20% = 58%. In diese Berechnung gehen alle Chrome Versionen und alle Firefox Versionen ab 5 ein.

Man muss sich einmal verdeutlichen, was dies bedeutet: Mehr als die Hälfte der Internetnutzung erfolgt heute über zwei Browser, die sehr schnell weiterentwickelt werden und die in der Lage sind ihre Nutzerschaft über stille Updates in kürzester Zeit mit neuesten Versionen zu versorgen. Es gab wohl noch nie eine bessere Grundlage für eine rapide Weiterentwicklung des Netzs und seiner Basistechnologien.

Die Chancen stehen gut, dass der Anteil noch weiter steigt, da sich Firefox wie beschrieben stabilisiert zu haben scheint und Chrome weiter auf Wachstumskurs ist. Man kann auch noch kleinere Browser wie Opera und Yandex zu dieser Gruppe zählen, die heute auf dem Chromium Projekt beruhen.

Neue Gruppen II: Die Vertreter der Post-PC-Ära

Eine andere wichtige Gruppe sind die Browser, die nicht mehr auf der Windows Plattform ausgeführt werden. Schaut man in die Betriebssystemstatistik der Desktopbrowser, so ist Windows  dort immer noch extrem dominant, aber iOS und Android (auf Tablets) kommen inzwischen schon auf mehr als 5%:


Zwar verschiebt sich das Verhältnis von mobiler und Desktopnutzung nur langsam, aber es verschiebt sich:

Und in einigen Ländern hat sich der Anteil bereits umgekehrt:

Source: StatCounter Global Stats - Mobile vs. Desktop Market Share
Gerade die Tablets und die im Android Bereich in immer größerer Zahl angebotenen Übergangsformen zwischen Telefon und Tablet ('Phablets') werden sicher für viele Menschen ein nahezu vollwertiger PC Ersatz sein und den klassischen Desktop PC immer stärker in den Bereich der Arbeit bzw. professionellen Anwendung drängen.

Bei den Mobilbrowsern an sich ist die Landschaft deutlich unübersichtlicher als bei den Desktopbrowser, da sich hier auf Grund der Vielfalt der Geräte und der Betriebssysteme noch ganz andere Anbieter behaupten können:
Android dominiert hier, wobei Chrome (sowohl unter Android wie auch iOS) bisher nur eine Nische ausfüllt. 

Neue Gruppen III: Der Aufstieg (und plötzliche Fall) der Webkit Browser

Schließlich gibt (oder gab) es noch eine dritte interessante Gruppe und das sind die auf Apples Webkit Framework beruhenden Browser. Dies sind heute
  • Safari 
  • Chrome 
  • Android Browser 
  • Opera 
  • Yandex 
und noch einige andere. Diese Browser haben im Desktopbereich bereits einen Anteil von knapp unter 50%, im Mobilbereich sind sie erdrückend. So erdrückend, dass Microsoft sich hier in die ungewöhnte Rolle gedrängt sieht die Webentwickler zu Standardkonformität anhalten zu müssen, damit ihre Window Phones und Windows RT Geräte mit den für mobile Zugriffe optimierten Seiten zurecht kommen können.

Allerdings hat sich - wie oben erwähnt - Google vor kurzem entschlossen Webkit den Rücken zuzukehren und mit Blink eine abgeleitete, eigene Version weiter zu entwickeln. Damit fällt Chrome aus der Webkit Zählung raus, aber auch Opera, Yandex und noch weitere kleine Vertreter.

Es kann daher sein, dass in einer zukünftigen Version vom Aufstieg der Blink Browser die Rede ist und für Webkit dann das gleiche gilt, dass oben zu Safari gesagt wurde, nämlich dass es auf Apples Hardware beschränkt ist. Da Google ein viel klarer definiertes Ziel in der Weiterentwicklung des Webs hat als Apple kann man davon ausgehen, dass Blink schon bald Webkit überflügeln wird.

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